Das Jedermanns-Schloss in Svaneholm
Wie Rutger Macklean Skanes erster Raumpioneer wurde
Text von Annika Kiehn, Februar 2022
Mit dem Space Pioneer, den sogenannten Raumpionieren, kam in den 90er Jahren ein Begriff auf, der für einen markanten Wandel in Dörfern steht. Städter ließen sich plötzlich bewusst in der Peripherie nieder, um dort ihren privaten und beruflichen Lebensmittelpunkt entstehen zu lassen –mit Wagemut und Abenteuergeist und den Willen, dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, etwas Neues zu erschaffen.
Dieses Phänomen trug sich vor allem im ehemaligen „Ostblock“ zu, in Projekt-Partnerländern wie Ostdeutschland, Polen und Litauen, die im vergleichbaren Ausmaß die Konsequenzen des Kalten Kriegs zu spüren bekamen. Wo die Gutshäuser von ihren Ländereien getrennt wurden, die ihre Einnahmen über Jahrhunderte hinweg sicherten und die Existenz dieser Häuser nun akut gefährdeten. Space pioneers nahmen sich der verwaisten Häuser an. Noch heute finden sich immer wieder neue Abenteurer, die alte Gemäuer wieder mit Leben füllen – ob als Tagungsort, als Café oder als Museum.
Für skandinavische Länder wie Schweden oder Dänemark, wo es nie zu solch dramatischen politischen Veränderungen kam, die das Hinterland in einem solchen Ausmaß aufrüttelten, ist der Begriff eher im gegenwärtigen Sinne zu verstehen – für jene, die sich den Hintern aufreißen, um in der Provinz nachhaltig gute Veränderungen zu erwirken. Ein markantes Beispiel für solche Ambitionen ist Schloss Svaneholm in der südlichen Provinz Skane, zwischen Malmö und Ystad. Es steht vor allem für den innovativen und emphatischen Geist seines berühmtesten Besitzers Rutger Macklean (28 Juli 1742 – 14 Januar 1816), ein Raumpionier der ersten Stunde.
Aufgewachsen in einer noblen Familie, entwickelte Macklean früh ein ausgeprägtes Interesse für Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. Seine Reformen für Landwirtschaft und Bildung gelten als Grundlage für die Entwicklung von Schwedens heutigem wirtschaftlichem und sozialem Wohlstand. Als Partei-Mitglied der sogenannten „caps“, kämpfte Macklean für eine freie Marktwirtschaft und die Abschaffung von Monopolen.
Aufgrund seiner eigenen Prägung hatte er früh erkannt, dass Bildung der Schlüssel zum Wohlstand ist: Wenn Kinder eine solide Ausbildung erfahren, würde sich dies positiv auf die ganze Gemeinschaft auswirken.
Für ihn war Bildung der Schlüssel zum Wohlstand: Wenn Kinder eine solide Ausbildung erfahren, würde sich dies positiv auf die ganze Gemeinschaft auswirken. So gründete er in dem Dorf Skurup nahe Svaneholm die erste öffentliche Schule. Auf Svaneholm können Besucher in diesen Tagen in einer gesonderten Ausstellung mehr über Mackleans facettenreiches Vermächtnis erfahren, dass sich in einer vitalen Gemeinschaft widerspiegelt.
„Es ist ein Ort der Möglichkeiten“, sagt Bertil Nilsson, chairman der Kooperativen Gesellschaft von Schloss Svaneholm. Der Heimatverein ist der offizielle Eigentümer des Anwesens, seit der letzte kinderlose Besitzer, Graf Augustin Ehrensvärd, 1935 verstarb. Ein Museum wurde kurz darauf etabliert, um auch künftige Generationen an der bewegenden Geschichte des Ortes und seiner Menschen teilhaben zu lassen.
Ein innovatives Führungs- und Finanzierungsmodell sichert seither die Existenz des Schlosses. Rund 40 000 Shareholder weltweit tragen zum Erhalt bei. Für gerade mal 30 Kronen, umgerechnet 3 Euro, ist jederzeit eine Miteigentümerschaft möglich, zu denselben Konditionen wie 1935.
„Wir heißen alle Menschen weltweit willkommen, sich uns anzuschließen!“, sagt Schatzmeister Bertil Nilsson.
Der ehemalige Lehrer für Mathematik und Physik ist seit 2015 Svaneholm-Enthusiast. “Wir sind zum Glück sehr frei in unseren Entscheidungen, da wir keinen privaten Besitzer im Nacken haben, der erst noch alles abnicken muss.“

„Jeder kann Mit-Besitzer von Svaneholm werden. Für 30 Kronen, umgerechnet 3 Euro, kann jeder Miteigentümer von Svaneholm werden. Zu denselben Konditionen wie vor 35 Jahren.“
Bertil Nilsson

Neben der Finanzabteilung gibt es noch eine zweite bedeutsame Instanz: Ein Museumsverband kümmert sich um die Ausstellungen und um die Zusammenarbeit mit Schulen. Rund 13 000 Exponate umfasst die Sammlung auf Schloss Svaneholm, die sich thematisch auf vier Etagen verteilt, wie der Alltag im 18. Jahrhundert oder Modetrends der ehemaligen Schlossbewohnerinnen. Im historischen Klassenzimmer können Schüler auf Zeitreise gehen. Meist werden sie dabei von Gunnel von Blixen Finecke herumgeführt. Seit den 1980ern gehört sie zum festen Team des Museumsverbands. Genau wie einst Rutger Macklean, ist es der pensionierten Geschichtslehrerin, ein dringendes Bedürfnis, die jungen Leute mit der Leidenschaft des Lernens anzustecken.
„Macklean hat das System der Bildung komplett auf den Kopf gestellt. Bis dahin verinnerlichten die Menschen vornehmlich das, was sie aus der Bibel kannten. Macklean konnte sie davon überzeugen, wie wichtig es ist, einen Wissensdurst zu entwickeln und diesen permanent zu stillen.“
Bildungsarbeit gehört bis heute zu den wichtigsten Anliegen der Schloss-Gemeinschaft, wie Gunni Blixen erklärt: „Wir sind sehr darum bemüht, unser Kulturerbe zu bewahren. Im Laufe der Jahre haben wir zunehmend Kontakt zu den lokalen Gemeinden aufgenommen, um unsere Erfahrungen zu teilen – glücklicherweise sind wir damit auf Gegenliebe gestoßen.“
So habe sie junge Handwerker und Künstler aus der Region als Aussteller und Mitwirkende für das Baltic Manor Festival gewinnen können. „Die Dynamik, die sie mitbringen, belebt ein solches Anwesen wie Svaneholm, auf denen solche Gewerke einst allgegenwärtig waren.“
Doch sie verbindet noch ein Anliegen damit: „Für uns als allmählich abdankende Generation wird es Zeit, dass wir Nachfolger finden, die unser bisherigen Schaffen in unserem Sinne erhalten und weiterführen.“
Es ist die Gemeinschaft, die Svaneholm zu einem ganz besonderen Ort macht. Egal ob als festes Mitglied oder sporadisch helfend, jeder kann sich mit seinen ganz persönlichen Erfahrungen und Fertigkeiten einbringen. Dies zeigt sich nicht nur in einem wohlwollenden Miteinander, wie Bertil Nilsson sagt, sondern auch in dem stetig wachsenden Angebot für Touristen, wie der Besuchermagnet „Svaneholm bei Nacht“ – schaurige schöne Anekdoten bei Kerzenschein, die sich im wahren Leben der ehemaligen Schlossbewohner zugetragen haben sollen.
„Für uns steht an erster Stelle, dass sich jeder hier in seinem Tun wohl fühlt und ausprobieren darf“, versichert Bertil Nilsson. Online-Marketingexpertin Tove Walden kam 2021 an Bord. „Schon als Kind habe ich endlos viel Zeit auf Svaneholm verbracht. Ich finde es großartig, dass ich diesen Ort nun ganz neu erleben darf.“ Tove verdient ihr Geld mit ihrer eigenen Agentur, nebenher will sie künftig dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad des Hauses und seiner Leute zu erhöhen.
„Dieses Schloss ist so cool, ich fühle förmlich die Geheimnisse, die es birgt, wenn ich die majestätischen alten Treppen hinaufsteige.“
Damit nicht genug: „Wenn ich früh morgens um das Schloss herumlaufe, erfüllt mich diese Magie aus See und Nebel, einfach nur wunderschön.“ Über die alten Gemäuer lerne sie ihre alte Heimat neu kennen, sagt Tove Walden per Skype mit einem Lächeln. „Ich habe so viele Ideen und bin sicher, dass sich künftig noch spannende Projekte ergeben werden, wenn wir die Corona-Pandemie endlich irgendwann hinter uns lassen können.“


Öffnungszeiten
Schloss Svaneholm begeistert mit unterschiedlichen Angeboten – ob ein Spazierungang um den See oder ein Brunch im Schlossrestaurant.
Geführte Touren, Reservierungen oder jegliche Art von Anfragen entweder telefonisch 0046-0709-37 13 66 oder svaneholm.museum@telia.com
Die Schlosssaison beginnt jeweils zur Osterzeit.
Erwachsenenticket: 100 Kronen (170 inkl. Guide)
Senioren: 80 Kronen (150 inkl. Guide)
Kinder unter 15 Jahren haben freien Eintritt